Mit der Entwicklung der Kinematografie begann eine neue Ära der meschlichen Wahrnehmung. Die Überflutung mit Bildern, der der moderne Mensch ausgesetzt ist, führte zu einer veränderten Wahrnehmung der Realität. Reale und virtuelle Welt bestehen zum Teil schon fast gleichwertig nebeneinander; die Grenzen zwischen beiden werden immer fließender, um gelegentlich auch schon ganz zu verschwinden. Zuerst sah das Theater im Kino vor allem seinen gefährlichen Rivalen oder sogar seinen Totengräber. Das Kino - zu Beginn das reine Produkt des wissenschaftlich-technischen Fortschritts - sah dagegen im Theater von Anfang an eine Quelle der eigenen Bereicherung, ganz besonders in Krisenzeiten. Die Theaterdramaturgie fließt in das Kinoschaffen ein - daraus entstehen von Darstellern gespielte Geschichten, wobei natürliche und künstliche Szenarien gleichberechtigt existieren und einander quasi in Lichtgeschwindigkeit ablösen. Mit Hilfe der Technik überwindet die Phantasie mit Leichtigkeit die Grenzen von Raum und Zeit. Dazu kommt die Möglichkeit, mit technischen Mitteln die selbe Geschichte unendlich zu reproduzieren, um sie einem riesengroßen Publikum fast überall auf unserem Planeten zu zeigen. Es gibt jedoch auch Theaterleute, die sich der bei Kollegen vorherrschenden Dämonisierung des Kinos nicht anschließen, sondern versuchen, es sich - den Anforderungen der modernen Zeit entsprechend - zunutze zu machen und als Hilfsmittel im Theater zu verwenden. (Meyergold, Eisenstein, Piscator, Brecht ...).Kinematographische Mittel sind für B.Brecht und Piscator " Verfremdungselemente ", mit denen der illusionäre Charakter des Theaters hervorgehoben werden kann. Eisenstein führt den Begriff " Montage " als schöpferisches Prinzip ein, damit bezeichnet er die Möglichkeit, bei der Inszenierung ähnlich wie bei der Montage eines Autos Teile an einer bestimmten Struktur anzuordnen - zu montieren. So kennzeichnet das Theater dieser neuen Ära die " Montage mit Attraktionen " - den Einbau von Elementen von Zirkus und Variete in dieTheaterinszenierung mit dem Ziel - eine gewissermaßen " atemberaubende " Vorstellung zu schaffen. Audiovisuelle Medien, die später ebenfalls in die Theaterarbeit einbezogen werden, verwandeln sich im Laufe der Zeit in alltägliche, mehr oder weniger gelungen eingesetzte Elemente fast jeder Theatervorstellung. Die besten Beispiele für ihre erfolgreiche Anwendung stellen vielleicht die Inszenierungen des Nordamerikaners Bob Wilson dar. Der Tanz blieb dieser Entwicklung zunächst fern. Erst seit den sechziger Jahren, als der Tanz begann, sich von den Techniken des klassischen Balletts zu lösen und sich mehr dem Theater anzunähern - als das Tanztheater entstand - ergab sich auch eine fruchtbare Beziehung zu den elektronischen Medien. Jetzt geht es nicht mehr nur um ein Zusammenwirken mit dem Kino, sondern mit der ganzen breiten Palette von neuen Medien: dem digitalen Video, dem Fernsehen, der elektronischen Musik, der Computeranimation und der gesamten Soundtechnik. Wenn wir heutzutage insgesamt von einer produktiven Auseinandersetzung zwischen den darstellenden Künsten und den elektronischen Medien sprechen können, müssen wir die Arbeit hervorheben, die im Bereich des Tanzes geleistet worden ist. Diese avantgardistische Entwicklung vollzieht sich nicht in den großen Theatern, die Experimente und die damit verbundenen Risiken fürchten, sondern in kleinen Gruppen oder Kompagnien, in den Tanzstudios, wo Choreograph oder Tänzer, unbeeindruckt von Zeitdruck und ökonomischen Zwängen, die Möglichkeiten des Körpers erforschen. Nicht dort, wo das Streben nach schnellem Erfolg mit "erprobten", im Grunde aber veralteten Methoden dominiert, werden die neuen Entdeckungen in der Tanzkunst gemacht, sondern im freien Spiel der Möglichkeiten, die die elektronischen Medien bieten, oder im Ausprobieren von verschiedenen Ansätzen, von denen aus die Körpersprache strukturiert werden kann. In diesem Sinne revolutioniert das neue Genre Tanztheater die dramatische Kunst - von daher kommen neue Impulse auch für das Theater von heute, das der Allmacht des Wortes nicht länger vertraut. Zum 5. Internationelen Tanztheaterfestivals hat das Freie Theater Studio zahlreiche hochrangige Künstler unter dem Motto: Die ausgewählten Tanztheaterkompagnien
beschäftigen sich alle auf die ein oder andere Weise mit den Elektronischen
Medien. So versuchen das NOSTOS TANZTHEATER
und CUERPO ETEREO,
bekannte Kinofilme in die Sprache und Ausdrucksform des Tanzes zu übertragen.
Während die erstere Gruppe von einem Hintergrund leidenschafticher
griechischer Musik mit tänzerischen Mitteln besonders den melodramatischen
Filmelementen nachspürt, interessiert sich die 2.Gruppe für
die Spannung bei Hitchcock, wie sie durch die Darstellung einer massiven
Bedrohung der Menschheit durch äußere Kräfte erzeugt
wird. Die CARROT DANCERS
dagegen ironisieren das Heute fast alltägliche Nebeneinander von
realen und virtuellen Ereignissen in einer imaginären Reise durch
die Kinowelt mit ihren Ich hoffe, dass dieses Tanzfest, das heute seine 5. Auflage erlebt, vom Mecklenburger Publikum wie von den weiter gereisten Gästen der Landeshauptstadt angenommen wird und hilft, Neugier und Verständnis anderen Kulturen gegenüber zu wecken, denn beides ist Voraussetzung für friedliche Verständigung und gegenseitigen Respekt. Meinen herzlichen Dank an alle, die in der ein oder anderen Form zur Realsierung dieses Festivals beigetragen haben: Der Stadt Schwerin, dem Kulturministerium Mecklenburg-Vorpommern, dem Hotel Elefant...und den Künstlern, die einen weiten Weg zurücklegen mussten, um in diesen Tagen bei uns zu sein. Dr.Franklin
Rodriguez Abad |
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