Juni 2001 - Schweriner Express

Konflikte wie freier Mensch austragen

Für seinen engagierten Kampf um ein "Haus der Kulturen" in Schwerin erhielt Dr. Franklin Rodriguez Abad, das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Der 47-jährige Ecuadorianer kam vor zehn Jahren nach Schwerin, ist verheiratet und hat drei Söhne.

Wenn Dr. Franklin Rodriguez Abad das Minisymbol seines Bundesverdienstkreuzes stets im Knopfloch trägt, so ist das ein wenig wie das Pfeifen im finsteren Wald. Nicht, dass der aus Ecuador stammende Schweriner Angst hätte. Im Gegenteil: "Ich wohne auf dem Dreesch, fahre mit der Straßenbahn durch die Stadt. Ausländerfeindlichkeit ist mir bisher nicht begegnet." Seit er vor reichlich zehn Jahren nach Schwerin kam, hat er die Stadt und ihre Bewohner schätzengelernt. "Nur deshalb bin ich noch hier", sagt er. Denn der Leiter des Freien Theater Studios Schwerin, der in der Stadt ein Haus der Kulturen schaffen möchte, hat in den vergangenen Monaten schon manchmal daran gedacht, an einem anderen Ort etwas Neues zu beginnen. Zu viele Knüppel wurden ihm zwischen die Beine geworfen, zu viele Gerüchte drohen die Bemühungen zunichte zu machen.

Das Bundesverdienstkreuz am Bande wurde dem engagierten Theatermann Ende des vergangenen Jahres überreicht, weil er sich so unermüdlich einsetzt für ein Haus der Kulturen in Schwerin, weil er mit seinen Kulturangeboten die Stadt international macht. Gäste aus ganz Europa und aus Lateinamerika begeistern die Schweriner beim vom ihm organisierten Pantomime oder beim Tanztheaterfestival . "Eigentlich bin ich Schauspieler", sagt er von sich, "Theaterleiter bin ich nur, weil es einer machen muss. " So wurde er auch Regisseur, deshalb engagiert er sich für ein Haus der Kulturen.

Nachdem er als Halbwüchsiger mit Protestgedichten erfolgreich war, studierte er ab 1973 Schauspiel an der gerade eröffneten Theaterhochschule in Quito und gehörte 1978 zu ihren ersten Absolventen. Sei ne Lehrer waren progressive Künstler aus ganz Lateinamerika, die vor den Diktatoren in Chile, Uruguay oder Argentinien geflohen waren. Rodriguez wurde von ihnen nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Regisseur geprägt, der offen ist für viele Richtungen: "Doch immer steht der Mensch im Mittelpunkt, seine Verwandlung in einen Schauspieler. Ich bin überzeugt, dass es die Willenskraft ist, die aus jedem einen Schauspieler machen kann." Begeistert war der junge Theatermann auch von brecht, "der für uns sehr wichtig war in einer Zeit, als wir alle politische Veränderungen erhofften".

Als Student ging er zu den Indianer in den Urwald, befragte sie und machte daraus ein anthropologisches Spektakel, mit dem er international bekannt wurde. Als 19 7 8 in Venezuela das 4. Welttreffen der Theater stattfand, wurde der 25

Dort war er 1981. "Mein erster Besuch in der DDR hat mich überwältigt", sagt er: "Das war für uns die Verwirklichung einer Utopie. " Auch sein zweiter Besuch, 1983 in Weimar, minderte die Begeisterung nicht.

1984 kam er auf Einladung der Liga für Völkerfreundschaft nach Berlin, um seine Dissertation zu schreiben. Nun lebte er wie DDR-Bürger, sprach und handelte jedoch wie ein "freier Mensch", der Konflikte offen austrägt, auch gegen den Staat. "Damals wäre ich zurück gegangen", erzählt er. Ein Kulturfunktionär hielt ihn zurück. Der gab zu, dass der Sieg des Sozialismus noch gar nicht so sicher sei. "Wenn ich Sozialist sei, sollte ich bleiben und etwas Unruhe stiften. " Er blieb und erlebte das Ende mit. Wie die meisten DDR-Bürger mit einem lachenden und einem weinenden Auge

Als ihm Berlin zu unübersichtlich wurde, kam er über Rostock nach Schwerin, sah hier eine Chance, etwas Eigenes zu schaffen. Seine Theaterkurse Ende 1990 wurden vor allem von jugendlichen Laiendarstellern aus dem einstigen Pionierhaus gestürmt. Mit neuen Formen und Themen begeisterte und erschreckte er die Schweriner, setzte Trends, die heute zum kulturellen Alltag der Stadt gehören: Tango, internationale Pantomime und Tanztheater. "Wir waren lange die Einzigen, die im Sommer keine Ferien machten." Die meisten Probleme hatte das Freie Theater Studio jedoch mit Spielorten -Thalia, Friedensschule, Halle am Fernsehturm, Weinhaus Uhle... endlich das Haus der Kultur am Pfaffenteich. Der kurzzeitige Auszug wegen der Sanierung gestaltete sich zu einer Solidaritätsaktion der Schweriner. Auch ihretwegen möchte Dr. Franklin Rodriguez wieder dorthin zurück. Zusammen mit vielen Mietern, die aus dem traditionsreichen Gebäude ein "Haus der Kulturen" machen.

B. Hamm

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