Donnerstag, 11. Januar 2001 - Nordkurier - Rostock

Hingabe an die Kunst des Überlebens - Theatermann Franklin Rodriguez geehrt

Von dpa-Korrespondentin
Corinna Pfaff


Schwerin. Aus dem unscheinbaren Haus mitten in Schwerin dringen exotisch anmutende Klänge: leidenschaftlicher Gospelgesang, heiße südamerikanische Rhythmen. Nicht unbe-dingt typisch fur die eher als zurückhaltend geltenden Mecklenburger .Und doch sind sie es die im Freien Theater Studio TIK mit Hingabe im Chor singen, als Mimen auf der Bühne stehen oder gekonnt irn Tango-Schritt dahingleiten.

Brücken bauen zwischen den Kulturen
"Ich sehe das als Signal der Hoffnung. Vielleicht werden die Zeiten für freies Theater doch besser", meint der 48. Denn die vergangenen zehn Jahre seien für ihn auch ein ständiger Kampf ums künstlerische Uberleben gewesen.

In einer Stadt in der selbst das Staatstheater ständig vom Rotstift bedroht wird. "Wir haben uns nie als Konkurrenz verstanden, sondern als Ergänzung. Als Podium für die Kleinkunst, als Impulsgeber für Körpertheater und Multikultur"macht Rodriguez klar.

Angebote zum Mitmachen
Die Bevölkerung habe die Angebote des Theaterstudios interessiert angenommen. Gut 1500 Gäste besuchen alljährlich das Pantomime". Doch die Menschen sollen nicht nur zusehen, sondern mitmachen", findet Rodriguez, der schon in seiner südamerikanischen Heimat Theatergruppen leitete. Gegenwärtig probe das Schauspiel-Ensemble Bertolt Brechts "Furcht und Elend des III. Reiches. Dem Gospelchor gehören etwa 40 sangesfreudige Menschen an. Pantomime bei Dagmar Dark, Theateroder Tango - Unterricht , über 100 Teilnehmer besuchen laut Rodriguez Monat für Monat die angebotenen Kurse.

Der Enkel ecuadorianischer Großgrundbesitzer und spätere Studentenaktivist in der Hauptstadt Quito hat schon früh mit ungewöhnlichen Projekten auf sich aufmerksam gemacht. Mitte der 70er Jahre auch mit einem anthropologischen Theaterprojekt, bei dem Ureinwohner aus dem Amazonas als Darsteller agierten. Mitte der achtziger Jahre folgte er der Einladung an die Humboldt amerikanischen Theaters". Er hospitierte bei namhaften Regisseuren an Schaubühne, Deutschem Theater und Berliner Ensemble.

Chance auf Weltoffenheit
Die DDR, späte Heimat Brechts, sei für viele südamerikanische Künstler ein "Mekka des Theaters" gewesen, sagt Rodriguez. Doch wie eine Seifenblase sei sein Ideal vom Sozialismus in der real existierenden Wirklichkeit geplatzt. Dennoch sei er geblieben. Er fand seine Frau, eine Lehrerin aus Schwerin. Im Mecklenburgischen gründeten sie eine Familie, zu der inzwischen drei Söhne gehören.Für Schwerin schwebt dem Theatermann ein internationales "Haus der Kulturen" vor. Ein Projekt, in das Rodriguez jahrelang viel Energie steckte. Doch obwohl sich 3000 Bürger mit Unterschriften dafür eingesetzt und auch prominente Befürworter des multikulturellen Zentrums wie Günter Grass und Gregor Gysi ihm den Rücken gestärkt hätten, sei er bislang an der mangelnden Kooperation der städtischen Wohnungsgesellschaft und fehlenden Geldern gescheitert. Nun will die Stadt auch das Notquartier des Freien Theaters so rasch wie möglich verkaufen. "Ich kann noch nicht glauben, dass Schwerin diese Chance auf Weltoffenheit verschenkt. Wir geben nicht auf", zeigt Rodriguez sich gewohnt kämpferisch.

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