SVZ vom 29.10.1999 - "Lebensstrombilder mit Zeitlupe und Zeitraffer"

Kaiko Nakano und ihr Ensemble aus Japan beim Tanztheaterfestival

Schwerin • Tanz in verschiedenen Kulturen. Die Differenzen wie die verbindenden Elemente der Körpersprachen macht das Festival des Freien Theater Studios in Schwerin anschaulich. Glänzender Spiegel war das Gastspiel von Kaiko Nakano und ihrer Company Dance Museum Yagi aus Japan.

Den Begriff Dance Museum möchte man hier nur zulassen mit der Bestimmung Modern art. Denn Kaiko Nakano und ihre Company fassen ein altes Thema in schöpferisch gegenwärtige Bewegung. Die Choreographie "Lifetide III 1999: Here I am" nach einem Buch von Liall Watson drückt Lebensstrom aus zwischen Vergangenheit und Zukunft. Das Individuum korrespondiert mit dem Anfang wie mit vorgestelltem Werden. Die Körper dabei quasi als Zeitmaschine, die den Fluß anhalten oder antreiben können. Licht, Musik, Geräusche und ein bisschen reichlich Nebel sind die Katalysatoren.
Schon was den Klang betrifft, kombiniert Nakano sozusagen auf einem west-östlichen Diwan, schneidet melodische Elemente aus der Kunstmusik ihrer Heimat an urige Rhythmen der Folklore, an laborhafte Sequenzen und an Schläge bis zum Techno. Und so setzt sich auch die Bewegung zusammen aus natürlichen, oft sogar scheinbar simpel kreatürlichen Formen und artifiziellen Erfindungen, die mobilen Skulpturen gleichen. Da steht spielerisches Ausdrucksvokabular aus der europäischen Klassik neben den harten Zeichen der Gliedmaßen, die an fernöstliche Kampfsportarten erinnern. Das schafft Spannungen, und sie werden auf hohem technischen Niveau getanzt.
In der Wiederkehr der Vergangenheit erscheint Kaiko Nakano wie die Erdmutter Gaia, und mit dem Mythos ist die Rückkunft auch der Langsamkeit spürbar als Besinnung auf die menschlichen Gründe. In der Zukunftsvision pulst aus der Gruppe die steigende Aktionsflut junger Generationen in der Hightech-Epoche. Tanz, der Lebensbilder entwirft mit der Zeitlupe wie mit dem Zeitraffer.
Bleibt bei aller Strahlkraft dieser Company die Verlegenheit, dass sie unbemerkt blieb vom Publikum. Sie hatte aber nicht nur gegen die Leere zu kämpfen. Der Lagerbudencharme der Halle am Schweriner Fernsehturm ist kein Ort für Sensibilität, wie sie für Tanzkunst unentbehrlich ist. Und dieses Festival braucht eine Struktur, in der seine Qualitäten genügend öffentlich werden können und hoher Aufwand nicht verloren geht.

Manfred Zelt

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