SVZ 24./25.02.2001 - "Hoffen und Schrecken"

Kostprobe von Joachim Johns Stück "Durch die Tür - ein Welttheater in 60 Minuten"

Schwerin • Joachim John ist nicht nur in seinen Grafiken ein oft hintersinniger Erzähler. Er hat mit seinem Buch "Stubenreiter" Episoden aus seiner Kindheit im Böhmischen mit Schwejkschem Unterton aufgeschrieben. Nun offenbart er seine nie verheimlichte Bühnenneigung mit dem Stück "Durch die Tür - ein Welttheater in 60 Minuten". Zusammen mit der Schauspielerin Lore Tappe stellte er es am Donnerstag im Freien Theaterstudio TIK in Schwerin vor. Im überfüllten Saal herrschte Spannung, Heiterkeit und viel Applaus.
Das Modell einer kleinen Bühnenschachtel stimmt ein. Dann der Prolog vom Lesetisch, wo verschiedene Kopfbedeckungen des Einsatzes harren: "Unbekannt uns, was wir wissen/ Was wir forschen liegt verstellt/ Unentdeckt in den Kulissen/ Ein Placebo ist die Welt". Da hebt der Autor den Zeigefinger. Geste der Ironie. Denn das ist der Grundton. Lore Tappe zieht ihn aus ihrem breiten Lachen, malt ihn mit opulenten Stimmfarben.John bringt ihn mit hochgezogenen Schultern hervor und hält sich redlich neben der professionellen Gestalterin.
Türen sind doppeldeutig: Sie vereinen Öffnen und Schließen. Sie verheißen nicht nur Raumwechsel: Hinausgehen und Hereinkommen. In Johns Welttheater sind sie auch Schwellen individueller Positionswechsel, die Verwandlungen heißen: Aus-sich-herausgehen, einen Zustand "hinter sich werfen" oder Zu-sich-selbst-kommen. Ein Bauer, dem der Viehgestank stinkt, der besser als Statthalter auf einer südlichen Insel leben möchte mit einer knackigen Eingeborenen zur Seite. Ein Naturschänder, der die Folgen seiner ordentlichen Sägewerke zu spüren bekommt und deshalb als Werkzeug in Unschuld zu wandeln wünscht. ein polizeilicher Abhörer, der lieber als Musiker gehört werden will. Ein Künstler, der aus dem Reich bedrückender Zwerge ins Reich der "Freijeijeiheit", doch zu nichts Besserem kommt. Immerhin, spitzt John zu, der Künstler muss haben, was nicht zu erlernen ist: Begabung, wer keine hat, wird Lehrer.
Auf beiden Seiten der Tür Wünsche und Enttäuschungen, Hoffen und Schrecken. Wechsel, der Verwechslung einschließt. Entfremdungen. Uraltes Theaterthema also. Uralte Dramaturgie auch. Sie gründet auf dem Boden des Typenspiels, verkündet Lebenserfahrung nebenher und zielt bis in den Himmel der Philosophen. Empedokles, den John "ins Präsens schleppt", wird gen Ende die Welt einteilen und Ungenügen wie Missbräuche verfluchen: "Alle Schwärmer, die keine Philosophen, alle Philosophen, die keine Schwärmer" sind.
Ein Theater, wie der Dramatiker Peter Weiss einmal bemerkt und in seinem "Mockinpott" vorgeführt hat, in dem er Clown oder der Kasper ebenso viel auszusagen vermögen wie psychologische Analyse durch Charakterfiguren.
Und wie er mit der gebrochenen, verschlungenen Linie in Bildern Phantasie entzündet, so bringt sie John auch mit seinen Wortfiguren ins Spiel. Nimmt kein Blatt vor den Mund. gibt Sünden Gestalt. Kräftige, witzige, spöttische, doppelsinnige Töne. Eine moralische Lästerei in der Tradition des Theaters auf dem nackten Brett.
Mancher Vers fußt gar auf jenem Klassiker, der sich von faulen Äpfeln in der Schublade inspirieren ließ: "Die Sonne Homers, sie lächelt auch uns." Bleibt nach dieser Kostprobe zu zwischen, dass Johns Stück in die Tür der Schweriner Dramaturgie hineingeht und als Aufführung im E-Werk herauskommt.

Manfred Zelt

zurück zur Seite Kritiken








 

 

 








 

 

 

 

 

 

 


produced by SIRA DESIGN